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Erste Hilfe für ein zweites Leben

Dank des beherzten Einsatzes von Kollegen entgeht Thorsten Vorjohann dem plötzlichen Herztod.

Glück im Unglück. Eine gängige Redewendung, die jeder einmal in der einen oder anderen misslichen Lage benutzt. Für Thorsten Vorjohann ist es am 11. Dezember 2015 mehr als nur ein glücklicher Umstand in einer unglücklichen Situation: An jenem Freitagvormittag geht es um Minuten, die über sein Leben entscheiden. „Als ich morgens aus dem Haus ging, war alles wie immer, mir ging es gut“, erinnert sich der Vater von drei Kindern. Nur wenige Stunden später bricht der kerngesunde 42-Jährige in der Werkhalle seines Arbeitgebers in Beelen zusammen. 

„Wir sahen Thorsten am Boden liegen und sind erst einmal davon ausgegangen, dass er nur ohnmächtig geworden ist. Als er anfing zu krampfen, dachten wir an einen epileptischen Anfall und legten ihn in die stabile Seitenlage“, erklärt Matthias Fischer, der gemeinsam mit seinen Kollegen Michael Fußner und Michael Steinkamp die Situation schnell erfasst. „Thorsten lief blau an. In der Werkhalle ist es aber sehr laut, sodass wir nicht abhören konnten, ob er noch atmet.“ Thorsten Vorjohanns Glück: Alle drei Kollegen kennen den Ernstfall aus der Theorie eines Erste-Hilfe-Kurses. Insbesondere Michael Steinkamp, der bei der DLRG als Sanitätshelfer entsprechende Weiterbildungen absolviert hat, und Michael Fußner, der als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr jedes Jahr den Erste-Hilfe-Kurs wiederholt, erinnern sich an lebenswichtiges Wissen. 

Bewusstlosigkeit und keine normale Atmung – ein lebensbedrohlicher Notfall. Gemeinsam drehen sie ihn wieder auf den Rücken und beginnen mit der Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung. Sie achten darauf, die Reanimation so wenig wie möglich zu unterbrechen, weil nur so bei einem Herz-Kreislaufstillstand weiter sauerstoffhaltiges Blut durch den Körper transportiert werden kann und damit die Organe, insbesondere das Gehirn am Leben gehalten werden können. Parallel wird durch einen weiteren Kollegen der Rettungsdienst (Notruf 112) alarmiert und der betriebseigene automatische Defibrillator (AED) an Thorsten Vorjohann angeschlossen. Der Defibrillator überprüft den Herzrhythmus, stellt eine lebensgefährliche Herzrhythmusstörung fest und empfiehlt die Abgabe des Schocks. Die Arbeitskollegen unterbrechen kurz die Herzdruckmassage und lösen den Defibrillatorschock aus – ohne Erfolg. Die Reanimation wird fortgeführt. Etwa drei Minuten nach Beginn der Bewusstlosigkeit trifft der alarmierte Notarzt ein – die dritte Schockabgabe, diesmal mit dem Defibrillator des Rettungsdienstes, ist erfolgreich. Das Herz beginnt wieder regelmäßig zu schlagen.

Die Kollegen von Thorsten Vorjohann (Dritter v. links) behielten in einer lebensbedrohlichen Situation einen klaren Kopf: Michael Steinkamp, Matthias Fischer und Michael Fußner (v. links).
„Herr Vorjohann hatte viel Glück”, sagt Dr. Matthias Grude, Oberarzt in der Kardiologie des Josephs-Hospitals (rechts).

Im Notfall gibt es kein „falsch“

„Lebensrettend für Herrn Vorjohann sind aber insbesondere auch schon die Maßnahmen seiner Kollegen gewesen – denn nichts ist in einer solchen Situation wichtiger, als den Kreislauf des Betroffenen durch eine Herzdruckmassage in Gang zu halten“, unterstreicht Dr. Matthias Grude, Oberarzt in der Kardiologie des Josephs-Hospitals. „In einem solchen Fall immer dran- bleiben, auch wenn nicht alles richtig gemacht wird: Für die Person, die leblos am Boden liegt, kann es ohnehin nicht schlimmer kommen!“, appelliert er im Notfall immer eine Herzdruckmassage durchzuführen. Thorsten Vorjohanns Frau Stephanie erfährt im Josephs-Hospital vom behandelnden Arzt Dr. Grude, dass ihr Mann wegen einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung das Bewusstsein verloren hat: dem Kammerflimmern, die häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod. Durch das geistesgegenwärtige Handeln der Kollegen und das schnelle Eintreffen des Rettungsdienstes sei aber alles glimpflich abgelaufen, betont Dr. Grude: „Seine Lage war stabil, das EKG und der Herzultraschall gaben keinen Hinweis auf einen Herzinfarkt. Herr Vorjohann ist bei Eintreffen im Krankenhaus in einem stabilen Zustand gewesen und hatte wirklich sehr viel Glück!“

Mini-Elektroschockgerät implantiert

An all das kann sich der Betroffene selbst nicht mehr erinnern. Zwei Tage liegt Thorsten Vorjohann auf der Warendorfer Intensivstation in einer Art Dämmerzustand. Als er aufwacht, hat ihm sein Gehirn den Vorfall aus dem Gedächtnis gestrichen. In der Kardiologie des Josephs-Hospitals wird ihm kurz vor Weihnachten ein Defibrillator implantiert. Das Besondere an diesem Elektroschockgerät in Miniaturausgabe: „Es handelt sich dabei um ein ausschließlich subkutan implantierbares Defibrillatorsystem, das links seitlich am Brustkorb unter die Haut eingesetzt wird. Die Schock-Elektrode, die parallel zum Brustbein ebenfalls unter der Haut verläuft, wird mit dem Defibrillator verbunden. Herz und Venensystem bleiben so, im Gegensatz zu ursprünglichen implantierbaren Defibrillatoren, unberührt“, erklärt Dr. Grude (siehe Infokasten rechts). Gemeinsam mit dem Herzchirurgen Prof. Dr. Joachim Winter und Chirurg Dr. Johann Malath setzte der Warendorfer Kardiologe diesen sogenannten S-ICD erstmals im Josephs-Hospital ein. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass bei Thorsten Vorjohann ein weiteres Herzkammerflimmern eintritt, gering ist: Auszuschließen ist es nicht. „Es kann jeden treffen, auch mich wieder. Mit dem implantierten Defibrillator fühle ich mich sicherer“, folgt er dem Rat der Ärzte, den S-ICD dauerhaft implantiert zu lassen. „Wir sind einfach nur dankbar. Dem Josephs-Hospital, das uns in einer Extremsituation sehr gut betreut hat. Und den Kollegen, die meinem Mann dank ihres Erste-Hilfe-Wissens das Leben gerettet und das Auftreten von Folgeschäden verhindert haben“, sagt Stephanie Vorjohann. Für sie steht fest: Als Nächstes steht ein Erste-Hilfe-Kurs mit Reanimationstraining an – wer weiß, ob sie mal im Notfall anderen Menschen Glück im Unglück schenken kann.

Glücklich und dankbar: Stephanie und Thorsten Vorjohann mit ihren Kindern Frederik, Franziska und Hendrik.

Welche Vorteile hat ein subkutan implantierbarer „Defi“?

Ein implantierbarer Cardioverter Defibrillator (ICD), auch „Defi” genannt, überwacht den Herzrhythmus und gibt bei lebensbedrohlichem extremen Herzrasen oder Kammerflimmern Impulse oder Elektroschocks ab, um den normalen Herzrhythmus wieder herzustellen. Ziel: Das Herz soll wieder Blut durch den Körper pumpen können. Diese Elektroschocktherapie wird als Kardioversion oder Defibrillation bezeichnet. 

Das subkutane ICD-System wird direkt unter der Haut (subkutan) eingesetzt, ohne dass Sonden direkt im Herzen benötigt werden. Bei herkömmlichen Defibrillatoren mit direkt an der Herzinnenhaut verankerten Elektroden kann es im Laufe eines Lebens aufgrund der mechanischen Beanspruchung durch den Herzschlag zu Elektrodenbrüchen kommen, die dann durch erneute, teilweise aufwendige Operationen behoben werden müssen. Sehr selten können auch Bakterieninfektionen an Defibrillatoren auftreten, die sich bei den herkömmlichen Systemen entlang der Sonden bis zum Herzen ausbreiten und zu schweren Blutvergiftungen führen können. Diese beiden Probleme lassen sich bei dem neuen System ohne Sonden direkt am Herzen wesentlich einfacher beherrschen, sodass gerade bei jungen Menschen, die in der Regel für den Rest ihres Lebens den Defibrillator in sich tragen müssen, diese neue Generation der Defibrillatoren häufig eine attraktive Alternative sein kann. Ob ein subkutaner ICD infrage kommt oder nicht, hängt in erster Linie von der Art der Herzrhythmusstörung und der beim Patienten zugrunde liegenden Herzerkrankung ab.


Ausgabe Nr. 1 | 2016

Themen:
Patientengeschichten

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