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Wir müssen (mehr) reden:
Über Stuhlinkontinenz

Über eine Durchblutungsstörung sprechen – kein Problem. Über krankhaftes Sodbrennen? Kann man machen. Aber Stuhlinkontinenz? Ist kein Thema, über das man gerne spricht. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Deswegen glauben Betroffene, mit dem Problem allein zu sein. Das möchte Drs. Minke Barendse-Hofmann ändern: Die Leiterin der Proktologie will aufklären, das Thema im öffentlichen Bewusstsein stärken, Ängste nehmen.

„Die Scham und Angst vor den Untersuchungen sind oft so groß, dass viele Betroffene erst medizinischen Rat suchen, wenn die Beschwerden kaum mehr auszuhalten sind. Der Leidensdruck ist enorm hoch“, weiß Drs. Minke Barendse-Hofmann. Kaum vorstellbar, dass allein in Deutschland über fünf Millionen Menschen an Symptomen der Stuhlinkontinenz leiden. Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen.

Scham und Schweigen trotzen
Deswegen möchte Drs. Barendse-Hofmann die Wahrnehmung der Erkrankung in der Öffentlichkeit stärken und den Leidtragenden Mut machen, sich helfen zu lassen: „Über Beckenbodensenkung und Blaseninkontinenz hört man bereits viel, aber Stuhlinkontinenz ist nach wie vor ein sehr schambehaftetes Thema. Wir wollen nicht nur offen kommunizieren, sondern aufklären: Es gibt Lösungen, die die Lebensqualität der Menschen mit oft einfachen Methoden wiederherstellen.“ 

„Betroffene wissen oft gar nicht, welche Möglichkeiten es gibt, die Beschwerden zu lindern.“ – Drs. Minke Barendse-Hofmann

Die Oberärztin bereichert die Allgemeinchirurgie des JHW seit Januar 2023 und hat in der Proktologie bereits neue Behandlungsmöglichkeiten etabliert. Vor allem die für den Patienten besonders schonenden minimalinvasiven Eingriffe sollen zukünftig häufiger klassische OP-Verfahren ersetzen und bergen ein sehr niedriges OP-Risiko. Beispielsweise können bei Stuhlinkontinenz betroffene Stellen über kleine Kunststoffnetze verschlossen bzw. gestreckt werden und schnelle Linderung verschaffen. Alternativ werden kleine Sonden eingesetzt, die als sogenannte „Darmschrittmacher“ mit leichten elektrischen Impulsen das Nervengeflecht im Beckenboden stimulieren und den unangenehmen Beschwerden einer Stuhlinkontinenz wirksam entgegenwirken. Bei Stuhlentleerungsstörungen helfen moderne Methoden wie die minimalinvasive Resektionsrektopexie oder die ventrale Mesh-Rektopexie.

„Natürlich können wir einen Beckenboden nicht wie ein Gelenk durch einen künstlichen ersetzen. Aber es gibt viele verschiedene Maßnahmen, welche die Beschwerden deutlich verbessern können. Hier herrscht noch viel Unwissenheit“, so die Chirurgin. Deshalb empfiehlt sie die Kontinenzberatung der Stoma-Therapeutin Christa Enderling und bietet selbst wöchentlich die proktologische Sprechstunde an. Dass Drs. Barendse-Hofmann als Frau die Proktologische Abteilung des JHW stärkt, sei sicher vorteilhaft für viele Patientinnen: „Oft ist die Hemmschwelle für Frauen dadurch etwas niedriger und erleichtert ihnen den so wichtigen Gang zum Arzt.“


Ausgabe Nr. 1 | 2024

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